Geschichte

Kaum bekannte Anfänge und drei Sprünge bis zur Gegenwart

Die wechselvolle Entwicklung der Evangelischen Gemeinde in Warendorf

Natürlich war bereits seit 1517 die Botschaft Luthers in der damals bedeutenden Hansestadt Warendorf bekannt gewesen. Die ersten Spuren der reformatorischen Bewegung treffen wir hier aber erst verhältnismäßig spät an. So ist anzunehmen, dass Bernhard Rothmann (1495 - 1535) aus Stadtlohn, der Rektor der Warendorfer Lateinschule, der in Deventer seine humanistische Bildung erworben hatte, bereits während seiner Warendorfer Tätigkeit reformatorischem Gedankengut zuneigte. Seine Rolle in der Geschichte der Wiedertäufer in Münster ist breit erforscht.

Doch die lokale Kirchengeschichte Warendorfs in der Reformationszeit ist vielen weit weniger bekannt. Hierzu verweisen wir auf das Jubiläumsbuch 1828 - 1978 unserer Gemeinde, S. 16-25, das bei Interesse bei Pfarrer Bury eingesehen werden kann. Um Sie noch etwas neugieriger zu machen: Warendorf war bis in das zweite Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts eine evangelische Stadt reformierter Prägung; daneben finden sich in geringerer Zahl Lutheraner und Mennoniten. Erst durch den Dreißigjährigen Krieg und das Wirken des Jesuitenordens (in Warendorf ab 1624) und der Franziskaner (hier ab 1628) drehte sich das Blatt zugunsten der "altgläubigen" Seite.

Ende des 17. Jahrhunderts konnten nur noch ganz wenige evangelische Bürger in der Stadt leben, in einer Art "Geheim-Protestantismus", der "auf das Haus und Herz angewiesen war". Viele Familien wollten lieber die Heimat verlassen als ihren Glauben zu verleugnen. Genannt seien hier nur die bekannten Familien Pagenstecher (siehe dazu die Inschrift im Eingangsbereich der Christuskirche rechter Hand) und Krummacher, aus der manche Theologen und Dichter hervorgegangen sind. 

Ein neues Kapitel mit einem öffentlichen Gemeindeleben als verfasste Kirche, also als Kirchengemeinde im heutigen Verständnis, beginnt erst zweihundert Jahre später...

Drei markante Abschnitte gliedern seitdem die Entwicklung der Evangelischen Gemeinde ab ihrer Gründung im Jahr 1828:

    1. Der preußisch geprägte Beginn,
    2. die Flüchtlingswellen nach dem Zweiten Weltkrieg 
    3. und schließlich die Zeit der Konsolidierung in den Nachkriegsjahren 

 

1. ) Im 19. Jahrhundert kamen sich die wenigen evangelischen preußischen Beamten, die ins katholische Westfalen versetzt wurden, recht verloren vor. Für evangelische Taufen oder Beerdigungen, mussten sie ins benachbarte Ausland reisen - ja, wir stutzen, aber es war tatsächlich ein Grenzübertritt ins Bistum Osnabrück. 1828 baten daher einige Warendorfer Familien den preußischen König Friedrich Wilhelm III. um Hilfe bei der Gründung einer Gemeinde. Die Bitte hatte Erfolg. Die als Zeughaus genutzte Marienfelder Kapelle wurde Gotteshaus. Gemeindemitglieder waren Beamte vom Gestüt, der Post, der Grenzpolizei, Zoll und Steuerheber und des Militärs. Die geschlossene Gesellschaft wurde nur langsam durch den Zuzug von Handwerkern, Dienstboten und Kaufleuten verstärkt. Lange bildete die preußisch, vaterländische Gemeinde eine Einheit.

 

Der erste Entwurf der Christuskirche des Architekten Karl Siebold aus dem Jahre 1896. (Hundert Jahre Christuskirche Warendorf, S. 57).

 

2.)  Nach dem Zweiten Weltkrieg stellten Flüchtlinge und Vertriebene die Gemeinde vor neue Aufgaben: Die evangelischen Christen aus Ostpreußen oder Schlesien lebten im Kreis verstreut, oft in großer Not, und versuchten, neuen Heimatgrund zu finden. Energischen Pfarrern und Presbyterien gelang es in diesen Jahren des Wachstums und der Einwurzelung nicht nur, in Warendorf eine Gemeinde zu bilden sondern auch den Boden für Tochtergemeinden zu bereiten.
An Mitgliederzahlen einer Gemeindegruppe lässt sich die Veränderung für die Gemeinde veranschaulichen: Die Frauenhilfe bestand 1928 aus 45 Damen - 1950 waren es 170! Am Jahresfest der Frauenhilfe 1953 nahmen über 300 Schwestern teil. 1978 war die Frauenhilfe die zahlenmäßig größte, aktivste und eine die Gemeinde tragende Gruppe. Eine wichtige Funktion für die Gemeinde in der Nachkriegszeit hatte die Bodelschwinghschule.

Bild: Thomas Urban, Der Verlust, S. 123.

 

3.) Seitdem entwickelte sich die Evangelische Kirchengemeinde Warendorf mit ihren Gemeindebezirken zu einer selbstbewussten Diaspora-Gemeinschaft. Die katholisch geprägte Umwelt führte zu einem besonderem Interesse an der Ökumene, das die Gemeinde bis heute mit prägt.

 

 

 

 

 

 

 

 

Eine beeindruckende Pfarrerpersönlichkeit,
von der bis heute immer wieder erzählt wird, ist
Pfarrer Friedrich Radü, der von 1950 bis 1974 amtierte.
Hier ein Bild, das bei seiner Abschiedspredigt entstand.
(Bild: Evangelische Kirchengemeinde Warendorf, 1828 - 1978, Ein Jubiläumsbuch, S. 101).

 

Die letzten Jahrzehnte sind ab der Wende von 1990 durch die Integration von Spätaussiedlern aus dem Gebiet der früheren Sowjetunion, die gesellschaftlichen Veränderungen durch die Globalisierung und Digitalisierung geprägt. Für unsere Kirchengemeinde als Gemeinde der Landeskirche von Westfalen sind allgemeine Entwicklungen wie der demographische Wandel, der Traditionsabbruch, eine gewandelte, kritischere Identifikation mit Institutionen und seit 2015 die Integration von Asylsuchenden (v.a. aus Syrien und dem Iran) auch vor Ort spürbar.

Aber damit verlassen wir die Geschichte und sind mitten in den Themen unserer Zeit...