Fröhlich sein
„Dies ist der Tag, den der Herr macht, lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein.“ So lautet ein Vers des Psalms, der Ostern gebetet wird.
Da passt er auch gut hin. Da ist die Freude über die Auferstehung und dass der Tod nicht mehr das letzte Wort hat. Wir dürfen hoffen und uns freuen. Manchmal ist Ostern aber ganz weit weg von uns, nicht nur kalendarisch. Vielleicht dann, wenn wir Abschied nehmen müssen von einem lieben Menschen; vielleicht dann, wenn uns die Grausamkeiten der Menschen zu viel werden und unsere Seele immer dünnhäutiger wird; vielleicht dann, wenn unser eigenes Leben ins Wanken gerät und wir nicht mehr weiterwissen. Fröhlich sein? Geht das dann überhaupt? Sich freuen, wenn die Welt schreit?
Ostern ist ein Freudenfest, aber eins das in völliger Verzweiflung stattfand: am Kreuz, am Grab und mit der Frage, wie es weitergehen kann. Niemand, der Jesus hat sterben sehen, hat geahnt, dass es jemals wieder gut werden würde. Dass das Leben nochmal eine Chance bekommt, dass das Ende wie ein Anfang ist.
Zwischen Tod und Auferstehung lag eine Zeit mit Verzweiflung, Trauer, Wut und Unsicherheit. Vielleicht so wie jetzt auch.
Dies ist der Tag, den der Herr macht. Nicht nur die Freudentage, die leicht und unbeschwert sind, sondern auch die voller Ohnmacht, mit dem Leid und den vielen Fragezeichen.
Solche Tage will niemand erleben. Sie zehren an Körper und Seele, aber es gibt sie. In jedem Leben haben sie ihren Platz.
Manchmal ist es schwer vorstellbar, dass Gott auch leidvolle Tage schafft, weil er doch eigentlich Gutes für uns will.
Dies ist der Tag, den der Herr macht. Lasst uns fröhlich sein. Trotz allem. Freude finden. Kleine, unscheinbare Freude. Denn auch wenn die Tage, die Gott uns macht und uns schenkt, schwer sind, dürfen wir doch wissen, dass er dabei ist, dass er das letzte Wort hat und uns im Blick. Und auch, dass wir mit ihm einen Adressaten für unsere Klage haben. Wir dürfen diese schäbigen, traurigen, kleinen Tage Gott vor die Füße werfen. Wir dürfen ihm sagen, dass uns die Freude schwerfällt, oder einfach schweigen, weil uns die Worte fehlen.
Karfreitagsgefühle mitten in der Woche, mitten im Leben. Gott läuft davor nicht weg, er hält mit uns aus. Bis es sich irgendwann verändert.
Drei Tage Tod waren genug. Das Leben darf wieder kommen. Auch jetzt, jenseits von Ostern. Auch dann, wenn wir Freude für das falsche Gefühl halten. Das Leben ist stärker und die Freude hält sich daran fest. Trotz allem.
Sandra Reimann, Prädikantin

Sandra Reimann
Als Krankenschwester ist Sandra Reimann immer nahe bei den Menschen. In ihrer Freizeit hält sie als Prädikantin Gottesdienste, schreibt immer wieder geistliche Texte wie diese Andacht und hat bis zum März 2024 als Presbyterin im Leitungsteam der Kirchengemeinde mitgewirkt.